Böckchenhaltung, Züchter, Notstationen und Social Media

…In eigener Sache (Achtung, enthält Meinung)…

 

Normalerweise stelle ich auf dieser Seite meine Meerschweinchen, Abgabetiere oder sonstige Info´s rund um meine Zucht vor… da es jetzt aber diesen Blog gibt, möchte ich mir, als einen der ersten Beiträge, mal ein bisschen die Gedanken und den Frust der letzten Zeit von der Seele schreiben.

 

Der Text wird lang, also wen es nicht interessiert…

 

Ich fange also einfach mal beim Thema Böckchenhaltung bzw. Bockgruppenhaltung an, da dieses Thema in der letzten Zeit immer mal wieder (Streit-) Thema in den sozialen Medien war und ist. Da sich auch schon andere Züchter dazu geäußert haben, möchte ich mal meinen Senf auch noch dazu geben.

 

Es scheint ein Phänomen der heutigen Gesellschaft zu sein, dass man annimmt, derjenige, der am lautesten schreit, hat recht. Ganz klares NEIN dazu!!

 

Egal welche FB- Meerschweinchengruppe ich öffne, gefühlt überall steht unter einem, zu vermitteltenden Böckchen, dass der ja zu einem älteren Tier muss und/ oder sofort kastriert gehört, damit er artgerecht in seiner Haremsrolle mit mehreren Weibchen leben kann- denn nur das ist artgerecht.

 

Soweit die Aussage… ich stimme insoweit zu, dass ein Kastrat mit Mädels der natürlichen Haltung am ehesten entspricht. Nicht mehr und nicht weniger, denn wir haben Meerschweinchen domestiziert und haben uns damit um ihr Wohl zu sorgen. Eine Haltung ganz wie in der Natur ist aber dennoch nicht erstrebenswert, weil:

  • Meerschweinchen in der Natur an ihren Krankheiten und Verletzungen einfach so oder jämmerlich eingehen 
  • Meerschweinchenböcke in der Natur teils blutige Revierkämpfe führen (müssen)
  • Meerschweinchen in der Natur als Beute für Raubtiere herhalten und am unteren Ende der Nahrungskette stehen

All dies wollen wir von unseren Hausmeerschweinchen fernhalten und kontern doch immer wieder mit Argumenten, die nicht zu Ende gedacht sind.

Denn, wie bei fast allen Säugetieren, beträgt die Verteilung der Geschlechter nahezu 50/50.

 

In der Natur werden überzählige oder unsoziale Böcke aus der Gruppe verdrängt und schließen sich oft zu Bockgruppen zusammen (die Bockgruppe ist also gar nicht sooo unnatürlich). Es gibt sicher auch Einzelgänger, die aus verschiedenen Gründen keinen Gruppenanschluss finden. Diese Tiere sind aber wesentlich gefährdeter gefressen zu werden oder an Verletzungen oder Krankheiten einzugehen. Ihnen fehlt einfach der Schutz der Gruppe, die Möglichkeit sich auszuruhen in dem Wissen, dass andere Tiere  die Wache übernehmen- der dauerhafte Stress macht sie anfällig. Einzelhaltung ist also ganz großer Mist und auch ein Kaninchen ändert an der Situation für das Meerschweinchen nichts. 

 

Was heißt das also im Umkehrschluss? Was mache ich als verantwortungsbewusster Züchter mit den „überzähligen“ Böcken? Denn es braucht für die artgerechte Haremshaltung ja wesentlich weniger Böcke als Mädels und auch in der Zucht werden weniger Böcke als Mädels benötigt… Varianten gäbe es, jedoch entsprechen diese nicht dem, was ich für vertretbar halte. Und nein, auch Frühkastraten sind für mich nicht das Patentrezept.

Ich gehöre also keinesfalls zu denen, die Bockgruppen per se verteufeln. Es gibt Möglichkeiten Böckchen gut zusammen zu halten und Ihnen ein artgerechtes Leben zu ermöglichen.

 

Ich bin aber auch dafür, dass die Mitglieder einer Bockgruppe kastriert werden sollten. Jedenfalls dann, wenn man sich nicht zu 1000% sicher ist, die vorhandenen Böcke für immer zu behalten und immer in einer Bockgruppe zu halten. Falls man sich nicht sicher ist, sollte man auch die Mitglieder einer Bockgruppe kastrieren lassen, um Ihnen für später mehr Chancen frei halten zu können.

Ein älterer Kastrat könnte nach Jahren in Bockgruppen auch problemlos in Haremshaltung zu Mädels ziehen. Ein alter Bock kann aber nicht mehr so einfach kastriert werden um ihm Damengesellschaft zukommen zu lassen. Er müsste also wieder mit jungen Böckchen vergesellschaftet werden, denn zwei alte Böcke miteinander zu vergesellschaften ist nur was für Profis und nur bei sehr sozialen Tieren machbar. Das macht die Sache schwierig, wenn der Besitzer die Haltung aufgeben möchte. Hier hilft dann nur noch ein Leihmeerschweinchen, dass nach dem Ableben des alten Tieres an den Züchter zurück gegeben werden kann. 

 

Zu diesem Gedankengang noch ein kleines Beispiel:

Ein Interessent meldet sich für zwei Jungböcke und schildert seine Situation (Bockgruppenhaltungserfahren, ein altes Böckchen, dass seinen Partner verloren hat und nun allein ist).  SÄMTLICHE Notstationen der Umgebung verweigern die Vermittlung eines männlichen Partnertieres (kastriert oder unkastriert- einfach nein) WEIL Bockgruppenhaltung unnatürlich ist und man doch bitte erst das alte Böckchen kastrieren lässt, es dann noch 4-6 Wochen alleine lässt und dann nochmal nachfragen darf, um evtl. ein Mädel zu erhalten. Leute geht’s noch? Was ist mit den Interessen des alten Tieres? Ja, man hätte ihn in jungen Jahren kastrieren lassen können, um ihm jetzt mehr Möglichkeiten zu bieten… hätte, hätte... hilft dem alten Bock jetzt aber nicht. 

 

Konsequenz war, dass der Interessent mehrere hundert Kilometer weit gefahren ist, um sich bei mir beraten zu lassen. Die beiden jungen Böcke wurden kastriert um die aktuelle Situation nicht noch einmal entstehen zu lassen, der alte Bock muss nicht allein bleiben und kann den Jungen noch einiges beibringen.

Und ja, es könnte mit den beiden Jungs irgendwann zu Problemen kommen (ein Beitrag über Böckchenhaltung wird demnächst folgen), aber auch dann (und auch bei allen anderen Fragen) bin ich als „böser"  Züchter als Ansprechpartner erreichbar und kann sicher eine Lösung anbieten. 

 

Womit ich auch schon beim nächsten Thema bin, dass mir übel aufstößt. Notstationen…. Und ich meine hier keine eingetragenen Vereine oder Tierheime und auch keine Privatpersonen, die Tiere aus „unschönen Situationen“ retten, sie aufpäppeln und dann vermitteln, sondern private Leute, die meinen, Meerschweinchen an jeder Ecke billig aufzusammeln (damit womöglich noch einen Vermehrer unterstützen), dann selbst zu vermehren, um dann zu jeder Zeit, für jeden Anspruch, vom Baby bis zum Senior, alles anbieten zu können-> das ist ein Geschäftsmodell und hat nichts mit einer Notstation zu tun.

 

Ich nenne solche mal „Vermehrungs- Station“, denn mit dem Namen Notstation wird doch nur geworben, um dem Interessenten vorzugaukeln, dass er etwas Gutes tut, wenn er das Tier zu sich nimmt und die Notstation damit unterstützt- denn an der Misere des Tieres trägt ja nur der „böse Züchter“ die Schuld.

 

Ich möchte hier keinesfalls die seriösen Notstationen / Vereine / Tierheime angreifen, nichts liegt mir ferner, denn die Arbeit, die dort verrichtet wird, um Tiere zu retten /pflegen und gut zu vermitteln, ist großartig. Und auch wenn die Ansichten (zum Beispiel bei der Bockgruppenhaltung) auseinander gehen, so brauchen wir sie doch um denjenigen Tieren zu helfen, die gerade richtig in Schwierigkeiten stecken und deren Züchter sich nicht darum kümmert oder vielleicht einfach nichts davon weiß. Die Wahrheit ist aber doch eher, dass die Tiere, die dort landen, eben nicht von einem seriösen! Züchter stammen, sondern von Vermehrern, Zooläden, Kinderzimmerzuchten oder ähnlichem.

 

Ich kann von mir behaupten, dass ich jedes Tier aus meiner Zucht, IMMER zurück nehme- und ich weiß, dass ich damit nicht allein bin, sondern der Großteil der mir bekannten Zuchten dies genauso handhabt. Der Besitzer muss sich dazu aber auch beim Züchter melden. Die Erfahrung zeigt aber leider, dass man es vorzieht zu versuchen, die Tiere in den einschlägigen Portalen zu verkaufen. Nicht jeder Züchter ist so gut vernetzt, dass er über solche Geschichten informiert wird, weil es anderen aufgefallen ist. 

 

Und da sind wir schon beim letzten Punkt meiner kleinen "Wutparade", Züchter….

 

Ich bezeichne mich selbst als Rassemeerschweinchen- Züchter, ich verpaare keine Mixe und auch keine (augenscheinlichen) Rassetiere, die keine Papiere haben. Aus Prinzip nicht!

Und ich kann auch niemanden verstehen, der sich als Rasse- Züchter bezeichnet, aber keine Abstammungen (für  Züchter) schreibt. Warum nicht?

Okay, bei farb- und rassereinen Tieren habe ich noch ein Mindestmaß an Verständnis, dennoch würde ich selbst das nie so machen und empfinde das „Nichtschreiben von Abstammungen“ schlicht als Faulheit.

Aber wenn ein Züchter offenkundig mehrere Rassen und Farben zieht und einem dann, auf Nachfrage, mitgeteilt, dass man keine Abstammungen schreibt und man sich aber ggfs. die Eltern anschauen könne, sorry, aber dann kann ich nur mit dem Kopf schütteln und dankend ablehnen. Gerade wenn man Farben züchtet, bei denen peinlich genau darauf geachtet werden sollte, welche Tiere (mit welchen Trägereigenschaften) verpaart werden können, ist es immens wichtig, mehr als nur die Elterntiere zu sehen, denn Trägereigenschaften können über Generationen hinweg unentdeckt bleiben.

 

Umso wichtiger ist es, möglichst viel über die Ahnen zu wissen. Ja, Papier ist geduldig und lässt viel „kreativen Spielraum“ aber dies als Begründung unterstellt jedem Züchter der Abstammungen schreibt, generell Betrugsabsichten- und dies ist garantiert nicht so. 

 

In diesem Sinne, bis die Tage...