So lange der Mensch denkt, dass Tiere nicht fühlen...

So lange der Mensch denkt, dass Tiere nicht fühlen- fühlen Tiere, dass der Mensch nicht denkt….

ein Thema, dass mich seit einiger Zeit beschäftigt wird nun Thema eines Blogbeitrages, der ja auch schon einige Zeit ruht.

 

Als Rassemeerschweinchenzüchter habe ich eine große Verantwortung meinen Tieren gegenüber, sind sie doch schließlich nur auf der Welt, weil ich die Entscheidung zur Verpaarung der Elterntiere getroffen habe.  

 

Aus diesem Grund entscheide ich nach bestem Wissen UND mit Bauchgefühl wer Tiere aus meiner Zucht bekommt und wer nicht. Wer nicht, der sollte sich fragen warum ich so entschieden habe (falls ich es in der Absage zu nett formuliert haben sollte- in aller Regel sagt mir die Haltung nicht zu oder es bestehen einfach Zweifel an der Ehrlichkeit der Aussagen mir gegenüber). So oder so, ich bin dann der Meinung, dass es mein Tier bei mir oder eben bei einem anderen Halter besser hat oder ich höre schlicht auf mein Bauchgefühl- das Wohlergehen des Tieres und nichts anderes zählt für mich, vor allem nicht irgendjemandes Befindlichkeiten.

Falls ich jemanden wegen meines schlechten Bauchgefühls „zu Unrecht“ abgesagt haben sollte, tut es mir leid, aber wie schon geschrieben, die Verantwortung dem Tier gegenüber steht für mich höher als Befindlichkeiten und die Erfahrungen im Laufe der Jahre formen einen Züchter.

Ich denke diese Abwägungen sind es aber auch, die einen guten Züchter von einem Vermehrer unterscheiden. Mir geht es nicht darum schnellstmöglich alle Abgabetiere zu „verkloppen“ um wieder Platz für die nächsten Babys zu machen- mir geht es darum für jedes Tier den passenden Platz zu finden, das dauert eben auch mal etwas länger.

 

In Zeiten von Corona ist nichts mehr wie es zuvor viele Jahre und Jahrzehnte war, das gilt auch für den Markt und die Vermittlung von Meerschweinchen und anderen Haustieren. Während in 2020 und teilweise auch noch 2021 ein regelrechter Boom ausbrach und viele Züchter die Nachfrage nicht decken konnten und wollten, kehrte sich das ab dem Frühsommer 2021 ins Gegenteil. Die Leute wollten wieder verreisen, Homeoffice wurde wieder abgeschafft oder man merkte einfach, dass ein Haustier nicht ersetzen konnte, was einem im Lockdown fehlte. Gründe gab es viele, das Ergebnis blieb gleich- die Millionen eilig angeschafften Haustiere landeten zu tausenden in Tierheimen, den einschlägigen Anzeigenportalen oder im schlechtesten Fall direkt auf der Straße.

 

Das Ganze ging auch an uns Meerschweinchenzüchtern nicht vorbei. Nicht wenige, die sich der Nachfrage anpassten und die Anzahl der Zuchttiere und Verpaarungen erhöhten, blieben plötzlich auf den Nachzuchten sitzen. Aber auch diejenigen die nur die Verpaarungen setzten, die der Zuchtplan vorsah, bemerkten die Veränderungen. Die Anzahl der Anfragen ging merklich zurück, es dauerte länger bis der passende Platz für jedes Tier gefunden wurde. Einige bekamen Tiere aus als verantwortungsvoll geglaubten Händen zurück, andere fanden ihre Tiere in den Anzeigenportalen wieder… sowas macht Züchter wütend und traurig- nehmen doch die allermeisten Züchter Tiere aus ihrer Zucht auch wieder anstandslos zurück. Das geschieht in den meisten Fällen unentgeltlich, denn der Züchter muss das Tier ja auch unterbringen und versorgen- im Tierheim kostet die Abgabe übrigens Geld.

Corona und die damit verbundenen Auswüchse haben über viele Heimtiere Leid gebracht- weil Menschen sich vorher nicht ausreichend damit beschäftigt haben, was es bedeutet ein Tier zu besitzen.

 

Ein weiterer sehr negativer Aspekt der Pandemie, der mir persönlich in den vergangenen Tagen besonders deutlich vor Augen war- der Anstieg der skrupellosen Vermehrer. Züchter konnten die plötzliche Nachfrage nicht decken und wählten die neuen Besitzer nach selbstgesetzten Maßstäben.

Das führte dazu, dass Leute, die diese Anforderungen nicht erfüllten, anderweitig Quellen auftaten um ihr Bedürfnis nach einem Haustier zu befriedigen… die allermeisten reflektierten nicht, dass sie aus Sicht erfahrener Züchter einfach nicht geeignet sind um das gewünschte Haustier zu halten.

Man bestellte dann eben Welpen im Onlineshop oder kaufte aus Kofferräumen zwielichtiger Händler, Pferde kamen unter fragwürdigen Umständen aus ganz Europa und den Nachbarländern nach Deutschland, Kätzchen ohne Abstammung, geschweige denn Wurmkur oder Impfung wurden plötzlich zu horrenden Preisen gehandelt und auch Kleintiere gab es plötzlich zum 10 –fachen des üblichen Preises. All diese Auswüchse bewirken jedoch leider genau das, was die Überschrift dieses Blogs bereits aussagt: So lange der der Mensch denkt, dass Tiere nicht fühlen- fühlen Tiere, dass der Mensch nicht denkt…. Das Leid das diese Tiere, durch gewissenlose Vermehrung, schlechte Aufzucht, unsagbar schlechte Haltungsbedingungen und Ignoranz der Vermehrer aber auch der Halter erfahren mussten und noch immer müssen, könnte vermieden werden, wenn sich viele dieser Leute im Vorhinein informiert hätten.

 

Dazu ein Hinweis einer lieben Freundin: Information ist eine Hol-Pflicht! Und in der heutigen Zeit ist es nun wirklich keine Schwierigkeit sich diese Information (sogar kostenlos) zu besorgen, es mangelt in den meisten Fällen schlicht am Willen dazu- umgangssprachlich Faulheit genannt.

 

Einen dieser Vermehrer aus der Nachbarschaft durfte ich also nun auch persönlich kennen lernen. Ich sag mal so, man weiß natürlich wer in der Umgebung noch züchtet und man weiß auch, bei wem es eben keine Zucht sondern blanke Vermehrung ist. Auf persönliche Kontakte in diese Richtung verzichte ich in der Regel bewusst gerne, weil ich mich nicht unnötig aufregen möchte. Mir ist klar, dass man bei solchen Leuten mit Aufklärung nicht weit kommt, da zählen andere „Werte“.

Diese sog. Werte lassen sich mit wenigen Worten erklären: Geld und Empathielosigkeit! Mag sein das es da vielleicht auch Leute gibt, denen nicht komplett egal ist, was mit den von ihnen produzierten Tieren passiert, aber ich glaube es ehrlicherweise nicht.

 

Es begab sich also kurz vor Weihnachten, dass ich in einer meiner Gruppen einen Platz für einen Kastraten frei hatte. Da für meine Zuchtböcke keine Kastrationen geplant waren, alle Abgabetiere schon ihre Plätze gefunden hatten und man ja auch gerne mal einen optischen Akzent in der Gruppe möchte, stöberte ich in einem bekannten Anzeigenportal. Es dauerte nicht lange und ich fand eine Anzeige in der ein Meerschweinchenpärchen abgegeben werden sollte. Der Verkäufer hatte sonst nur Kaninchen „im Angebot“ und ich fragte nach dem Alter der Tiere, dem Preis und dem Grund der Abgabe (nichts davon war in der Anzeige beschrieben). Als Antwort erhielt ich, man wollte mit den beiden züchten, da das Mädel aber bereits 6 Monate sei und noch immer nichts passiert ist, sollen die weg. Die bräuchte man dann auch nicht kastrieren… dazu wurde ein stolzer Preis aufgerufen, der maximal für sehr gute Zuchttiere mit entsprechendem Papier gerechtfertigt gewesen wäre. Mit einem Kloß im Hals aufgrund so einer Antwort bedankte ich mich für die Auskunft, teilte mit was ich bereit wäre zu zahlen und das die beiden zum aufgerufenen Preis nicht in Frage kämen.

 

Es folgten Tage der Verhandlung bei denen Angebote und Gebaren aufkamen, die eines Basars würdig gewesen wären. Ich blieb bei meinem Angebot und erhielt nach über einer Woche Sendepause die Zustimmung die beiden zu holen.

Dort angekommen stellte sich heraus, dass das angebliche Pärchen aus 2 Böcken bestand, was ja nach Aussage des Verkäufers bei Meerschweinchen auch wirklich schwer zu erkennen sei (nein, ist es nicht!) und das derjenige der ihm die Tiere verkauft hat, ihn dann wohl verarscht habe.

Stolz zeigte man mir, dass man sich bereits neue Meerschweinchen (Zitat:) besorgt habe und nun damit rechne, dass die dann in absehbarer Zeit (Zitat:) hecken wie die Ratten, damit er (Zitat:) was zu verkaufen hat. Ich war schockiert und sprachlos zugleich, zumal das Mädel maximal 12 Wochen alt war und mit einem wesentlich älteren Bock zusammen saß. Das traurige Domizil der Tiere war etwa 60x60cm groß spärlich mit Stroh eingestreut, hatte zumindest eine gefüllte Heuraufe, aber dazu völlig ungeeignete Pellets und trockenes Brot.

Mein Versuch zu erläutern, dass der Verkauf von Meerschweinchen- selbst bei dieser haarsträubenden Haltung- keinen Gewinn bringe und das Mädel doch viel zu jung sei, stieß leider auf taube Ohren. Stattdessen rühmte man sich mit dem 8,5KG Kaninchen, das in einer nur unwesentlich größeren Box als die Meerschweinchen untergebracht war und damit, dass (Zitat:) erst letzte Woche „einer“ 130€ für so´n Vieh bezahlt hat.

Nachdem ich also deutlich gemacht hatte, dass ich nicht für zwei Böcke gekommen sei und es mir unter den Umständen- trotz riesigem Kloß im Hals- auch nicht zielführend erschien, auch nur ein Tier mitzunehmen, versuchte man mir eben Kaninchenbabys anzupreisen. Auf ca. 120cm lebt also eine große Widderhäsin mit ca. 6 Jungtieren, von denen eines ein entzündetes Auge hat. Auf meine Frage was man dagegen zu unternehmen gedenkt hieß es: gar nichts, der is halt blind… Ich verabschiedete mich ohne ein Tier mitzunehmen und trat fassungslos, traurig und schockiert die Heimfahrt an.

 

Dann kam der Gedanke wieder auf meine eigenen Tiere. Vernünftige Einstreu, gutes Heu, 2x täglich Frischfutter zu jeder Jahreszeit, Strukturfutter mit Kräutern und Sämereien, dass alles führt dazu, dass ich mit meinem Hobby ein dickes Minusgeschäft mache. Doch dazu ist meine Rassemeerschweinchenzucht ein Hobby mit dem Anspruch zufriedener und gesunder Meerschweinchen. Gern hätte ich auch den beiden Tieren aus der Anzeige einen Platz bei mir angeboten, doch am Ende überwog die Einsicht, dass damit lediglich die Überzeugungen des Verkäufers bestätigt würden- und diese möchte ich keinesfalls unterstützen. Sollte jene Person hier mitlesen- denk mal drüber nach!

 

Am Ende trage ich allein die Verantwortung für alle meine Tiere und das endet meiner Meinung nach nicht mit der Abgabe. Denn gerade das was danach passiert, bestimmt das Leben des Tieres und bestmöglich dafür zu sorgen, dass es ihm an nichts fehlen wird und dazu die geeigneten Halter auszuwählen- das ist ein wichtiger Teil meiner Aufgabe als Züchter und auch das unterscheidet mich von einem Vermehrer.

 

Es bleibt zu hoffen, dass auch in der Pandemie der Meerschweincheninteressierte, der Meerschweinchenhalter- und Liebhaber, also gewissermaßen die Kundschaft des Züchters, zu dieser Einsicht gelangen und vernünftige Haltung, artgerechte Ernährung und Zucht mit Sinn und (Sach-) Verstand honorieren.

 

Nachdenkliche Grüße

 

Steffi und die Seulingswälder Schweinchen