Böckchenhaltung- kein Bock auf Bock?

Böckchenhaltung- kein Bock auf Bock? Tipps, Tricks &. Erfahrungen

 

Wie bereits im letzten Beitrag angekündigt, möchte ich mich heute mit dem Thema Böckchenhaltung auseinandersetzen.

Wie bei fast allen Säugetierarten, liegt auch beim Meerschweinchen die Geschlechterverteilung bei ca. 50 / 50. Die artgerechte Gruppenhaltung von Kastrat + Sau(en) bringt es jedoch mit sich, dass weniger Böcke (Kastraten) benötigt werden als Sauen. Und auch in der Zucht hat man in der Regel mehr Sauen als (Zucht-) Böcke.

 

Was macht man also mit den überzähligen Böcken?

 

Jeder verantwortungsvolle Züchter hat mindestens eine Gruppe, deren Mitglieder aus Böcken unterschiedlichen Alters besteht. Zumeist sind das ein oder mehrere, sozial verträgliche (Zucht-) Böcke mit dem „Junggemüse“ der vergangenen Würfe, sowie auch zukünftige, potenzielle Zuchtböcke, deren Entwicklung man abwarten möchte.

 

Diese Gruppen mit einer gemischten Altersstruktur sind in der Regel recht harmonisch, weil die älteren, erwachsenen Tiere die jungen und / oder pubertierenden Halbstarken erziehen und ihnen zeigen, wie der Hase läuft (hoppelt..). Nun liegt es aber in der Natur der Sache, dass auch die jungen Böcke irgendwann einmal erwachsen werden und den älteren damit dann körperlich in nichts mehr nachstehen. Ist die Rangordnung geklärt und jeder kennt seinen Platz in der Gruppe, gibt es auch dann keine Probleme.

 

Bei einem Züchter wird die Zusammenstellung innerhalb der Gruppe aber auch öfter verändert, als dies bei einem Liebhaber und einer festen Gruppe der Fall wäre. Jungtiere ziehen aus, andere werden kastriert, neue Jungtiere werden von ihren Müttern abgesetzt und kommen neu in die Gruppe dazu und wieder andere beginnen ihre Laufbahn als Zuchtbock.

Das bedeutet, nur in den seltensten Fällen wird ein Züchter, eine beständige Gruppe rein aus erwachsenen Tieren haben. Ein Züchter hat aber auch die Möglichkeit (sollte er zumindest) einzelne Böcke zu trennen, ggfs. eine weitere Bockgruppe zu eröffnen, oder auch einzelne Tiere zu kastrieren und in eine der Mädelsgruppen zu integrieren- falls es zu Problemen innerhalb der Gruppe kommt.

 

Anders sieht das bei einem Liebhaber aus, der eine Gruppe aus verschiedenen Mitgliedern dauerhaft zusammen hält und in der Regel auch nur ein begrenztes Platzangebot zur Verfügung hat. Hier können Streitereien der Böcke schnell zu einem regelrechten Albtraum werden und nicht selten ist die komplette Haltungsaufgabe die Folge. So weit muss es aber gar nicht kommen, wenn man ein paar Regeln, von Beginn an, berücksichtigt.

 

Wer sich also bewusst für die Haltung einer Bockgruppe entscheidet, sollte sich zu allererst damit auseinandersetzen, wie viel Platz zur Verfügung steht. Denn allein dieser Punkt entscheidet im ersten Step, wie groß die Gruppe werden darf.

 

Pro Tier rechnet man ca. 1qm Fläche (ohne etwaige Etagen einzubeziehen). Damit dürfte dann auch schon klar werden, dass man eine Bockgruppe nicht in einem handelsüblichen Käfig halten kann- hier ist Ärger vorprogrammiert. Weiterhin sollte auch beachtet werden, dass auch die Tiefe des Geheges so gestaltet werden muss, dass die Tiere mit ausreichendem Abstand aneinander vorbei laufen können, wenn sie wollen.

Die strukturierte Gestaltung des Geheges ist also auch wichtig. Neben Platz sollte für jedes Gruppen- Mitglied mind. 1 Häuschen (mit mehreren Eingängen) und 1 Fressplatz eingerichtet sein, um für Ruhe beim Fressen und Schlafen zu sorgen.

 

1.       Regel ist also Platz, Platz und nochmal Platz

 

Wenn die Gruppengröße anhand des vorhandenen Platzes definiert ist, kann man sich Gedanken über die eigenen Vorlieben bezüglich der Optik der neuen Mitbewohner machen. Es wurde mir schon zugetragen, dass es Stellen gibt, die behaupten, Meerschweinchen seien Rassisten und die besten Chancen bestünden bei Tieren einer Rasse.

 

Das kann ich so nicht bestätigen. Ja, es gibt rassespezifische Unterschiede in den Charakteren, aber hier ist jedes Tier individuell zu betrachten. Nicht jeder Rex ist per se friedlich und nicht jede Rosette grundsätzlich aggressiv. Viel mehr entscheiden die individuelle Aufzucht und Sozialisierung über die Tauglichkeit zur Haltung in einer Bockgruppe.

Ist in der Kinderstube nicht besonders auf diese Werte geachtet wurden, kommt es zu unsozialen Raufbolden, die nicht Bockgruppentauglich sind und denen der Weg als Kastrat mit Sau(en) besser zuträglich ist.

 

Was man in jedem Fall im Hinterkopf haben sollte, wenn man sich für eine Gruppe aus lang- und kurzhaarigen Rassen entscheidet ist, dass die Langhaarigen in solchen Fällen häufiger Opfer von sog. Frisörschweinchen werden, d.h. die Haarpracht ggfs. etwas leidet. Das hat in der Regel nichts mit irgendwelchen Mangelerscheinungen zu tun, wie das stellenweise erzählt wird, sondern m.E. nach nur mit Interesse am anderen Aussehen des Nachbarn. Diese Erfahrung habe ich öfter machen müssen, aber es gibt natürlich auch kurzhaarige Vertreter, die nicht an des Nachbarn Haarpracht nagen.

 

Hat man sich entschieden, welche Favoriten es gibt und man weiß, wie viel Platz ist, kommt schon eine weitere Einschränkung, die man beachten sollte. Die Gruppengröße sollte möglichst immer eine gerade Anzahl haben, also 2 / 4 / 6 ect… Grund hierfür ist, dass es bei einer ungeraden Anzahl an Tieren häufiger dazu kommt, dass einer ausgeschlossen wird- das 5. Rad am Wagen sozusagen. Für das Tier an sich keine schöne Situation und kommt dann noch Mobbing durch die Artgenossen hinzu, muss man definitiv handeln.

 

2. Regel die Gruppengröße sollte immer eine gerade Anzahl haben 

 

Eine 2er Gruppe ist am unproblematischsten. Hier kann man sich für ein älteres und ein jüngeres Tier entscheiden- das Risiko von Streitereien ist in dieser Konstellation am geringsten, weil der ältere dem jüngeren sagt wo es lang geht.

 

Oder Geschwister? Hier ist zwingend zu beachten, dass diese sich schon während der sog. „Rappelphasen“ (Pubertät) gerne so ab 2,5 Monaten und dann nochmal im Alter zwischen 6 Monaten und einem Jahr, in die Haare kriegen können und in so einem Fall muss man die Situation als Halter schon einschätzen können (Ernstfall oder nur leichtes Raufen). Hier wären ältere Gruppenmitglieder und damit eine größere Gruppe vorteilhaft.

 

Manche Stellen meinen, dass eine 2er Gruppe grundsätzlich nicht artgerecht wäre, da sie nicht dem normalen Gruppenverhalten der Tiere entspricht, dazu möchte ich nochmal auf meinen vorhergehenden Blog verweisen, dort findet sich meine Meinung dazu… Böckchenhaltung, Züchter, Notstationen und Social Media

 

Eine 4er Gruppe kann ganz harmonisch sein, ebenso wie eine 6er Gruppe oder eben auch noch mehr Mitglieder. Man muss aber hierbei noch mehr auf die einzelnen Charaktere und ihren Platz in der Gruppe eingehen.

Es klingt sicher einleuchtend, dass 4 recht dominante Böcke kaum eine harmonische Gruppe bilden werden. Die Mischung macht es einfach und um diese zu erkennen und aufgrund dieser Basis eine Gruppe zusammenzustellen, benötigt man Wissen und Erfahrungen oder aber man wendet sich an eine Stelle (Züchter, Tierheim, Notstation) die über diese Erfahrung verfügt und einem beratend zur Seite steht.

 

An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass ich kein Freund davon bin, eine bestehende Gruppe nach und nach zu erweitern.

Ich bevorzuge es, wenn jemand weiß auf was er sich einlässt, sich die Tiere, die er möchte (auch an verschiedenen Stellen) reserviert, natürlich jeweils mit dem Hinweis darauf was man vor hat, und dann alle auf einmal zusammen bringt.

 

Oder aber man hat eine bestehende 2er Gruppe (bei größeren, funktionierenden Gruppen wäre ich mit einer Erweiterung sehr vorsichtig- es besteht die Gefahr das man die Gruppe zerstört) und erweitert diese 2er Gruppe um weitere 2 Tiere. Bestenfalls 2 ältere vorhandene Tiere und 2 jüngere kommen hinzu.

 

Absolutes No-Go, und diese Fragen kommen immer wieder: ein einzelnes junges Böckchen in eine bestehende 2er Gruppe integrieren zu wollen. Das gibt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit böses Blut bei den beiden vorhandenen und führt zu einem massiv gestressten 3.- Rad am Wagen, also wenn überhaupt dann 2 neue zu 2 vorhandenen.

 

Zum Schluss noch zum Thema Kastration.

 

Es ist ein immer noch weiter verbreiteter Irrglaube, dass man meint, Böcke würden ihr Verhalten durch eine (Spät-) Kastration ändern- definitiv nein!

Einmal verkrachte Böcke werden sich auch nach einer Kastration nicht wieder vertragen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche!

 

Ein wenig anders zu betrachten sind sogenannte Frühkastrate. Die jungen Böcke werden noch vor Einsetzen der Geschlechtsreife im Alter von 2-4 Wochen kastriert und sollen so unproblematischer in der Haltung sein, da sie sich kein Revierverhalten aneignen.

Frühkastrate können in der Gruppe bleiben, in der sie geboren wurden, weil durch die Frühkastration die sog. Kastrationsfrist entfällt. Sie können damit also schonmal gut sozialisiert werden (gilt aber auch nur, wenn sie in einer wirklichen Gruppe leben und nicht nur zusammen mit Mutti).

 

Nun liest sich dies alles erst einmal, als ob Frühkastraten die Lösung aller Probleme bei Böckchenhaltung wären. Dem ist leider nicht immer so, warum ich das so sehe, ist aber auch nur mein persönlicher, subjektiver Eindruck.

  •  Nicht jeder Tierarzt führt Frühkastrationen durch. Das hat häufig nichts mit Können, sondern mit der grundsätzlichen Überzeugung des Arztes zu tun- erst erwachsen werden und sich entwickeln lassen und dann kastrieren
  •  Nicht jeder Frühkastrat benimmt sich später auch wie einer, auch hier gibt es Raufbolde-> der einzelne Charakter muss also berücksichtigt werden
  •  Der „Bilderbuch“- Frühkastrat weiß eigentlich gar nicht „was“ er ist. Die psychische Entwicklung ist oft eine andere als bei männlichen oder weiblichen Tieren. Und oft vertragen sie sich mit allem und jedem, aber warum ist das so? Weil sie sich allem und jedem unterwerfen… Andersherum kann das aber auch bedeuten, dass der Frühkastrat in der Gruppe nicht akzeptiert oder zumindest toleriert wird.

Ich sehe den Frühkastraten an sich also nicht unbedingt als absolutes Non-plus-ultra. 

Bei fast allen anderen Haustieren ist es verpönt, zu früh kastrieren zu lassen- warum wird es beim Meerschweinchen also so gehyped? Einfach, weil´s einfacher ist?

 

Es gibt auch Vorteile, die ein Frühkastrat gegenüber einem normalen Bock oder Kastrat hat, der nunmal leider nicht in der Gruppe verbleiben kann in der er geboren wurde, sobald er die Geschlechtsreife erreicht hat.

Während Jungböckchen ihre Mutter und deren Gruppe und somit das bekannte Sozialgefüge mit spätestestens 4 Wochen oder 250g Körpergewicht verlassen sollten, kann ein Frühkastrat innerhalb dieser Gruppe verbleiben. Eine Kastrationsquarantäne entfällt. Für die Sozialisierung ist das sicher von Vorteil, auch wenn die Auswirkungen auf das geschlechtsspezifische Verhalten oftmals verändert sind

 

Ich möchte jedem Halter einer Bockgruppe dringend ans Herz legen, ALLE Mitglieder der Gruppe kastrieren zu lassen. Nur so bleiben für das einzelne Tier einfach mehr Optionen, wenn mal der Fall eintritt, dass man sich von den Tieren trennen muss, oder die Gruppe aufgrund von Reibereien geteilt werden muss.

Die Kastration sollte aber, wie jeder andere Tierarztbesuch, so getimed werden, dass alle Tiere zusammen dort vorstellig werden. Es sollte niemals nur ein einzelnes Tier für längere Zeit (über 30 Minuten) aus der Gruppe genommen werden, hier sollte dann bei größeren Gruppen mindestens einer der Buddys mitreisen. 

 

3. Regel lautet daher die Gruppe niemals zu trennen!

 

Wer diese Regeln beachtet, sollte kaum Probleme mit seinen Böcken bekommen. Dennoch muss man sagen, es handelt sich um Individuen und es kann immer passieren, dass sich einzelne Mitglieder plötzlich nicht mehr vertragen- es gibt keine 100% Garantie auf lebenslange Harmonie.

 

Daher ist es umso wichtiger, dass man sich vorab Gedanken darum macht, woher man seine neuen Mitbewohner bezieht und an wen man sich vertrauensvoll wenden kann, sollte es zu Problemen kommen.

 

Zuletzt noch die obligatorischen Hinweise, die sich aber hoffentlich schon rumgesprochen haben:

 

  • Böcke / Kastraten stinken nicht mehr oder weniger als weibliche Tiere.  Wenn´s riecht ist es Zeit zu misten und / oder die Gehegeeinrichtung zu optimieren
  • Böcke / Kastraten haben oft ein, dem Menschen zugewandteres Wesen, sie sind von Natur aus mutiger und lassen sich damit auch schneller überzeugen, dass der Mensch kein Feind ist.
  • In der Nähe von Bockgruppen dürfen keine weiblichen Meerschweinchen sein. Auch nichts, das nach ihnen riecht.
  • Niemals, auch nicht kurz, ein Böckchen aus der Gruppe zu einem Weibchen setzen! Genauso darf man niemals ein oder mehrere Weibchen zu mehreren Böckchen setzen, die Männchen werden sich bis aufs Blut bekämpfen. 

 

In diesem Sinne, bis zum nächsten Mal…